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Stoppt Performance Management sofort!

Veröffentlicht am
15.5.2023

„Performance Management“ bezeichnet die Messung, Steuerung und Kontrolle der Leistung von Mitarbeitern, Teams und Bereichen von Organisationen (vgl. u.a. Dennis Hilgers 2008). Ziel ist es, die Leistung der Organisation kontinuierlich zu verbessern. Grundsätzlich wurde Performance Management entwickelt, um die Produktivität eines Unternehmens zu steigern. Die Wurzeln reichen zurück zu einem leistungsbezogenen Punktesystem des US-Militärs, welches im 1. Weltkrieg dafür verwendet wurde, um Personal mit schwacher Leistung leichter identifizieren und entlassen zu können.

Mit seinem Werkzeugkasten versucht Performance Management eine objektive Sicht auf die Bewertung von Mitarbeitern zu bringen. Das Problem ist: Es basiert auf der Kontrolle von geleisteter Arbeit und verbindet diese mit Konsequenzen. In der Folge löst sie Druck und Ängste bei den Mitarbeitern aus. Und daraus entstehen Fehler, falsche Entscheidungen und vor allem eine Kultur des Gegeneinanders.

Die Leistungsbeurteilungen sind Instrument einer Theorie X-Haltung (vgl. Douglas McGregor, 1960). Laut dieser Haltung sind Menschen faul und haben keinen Ehrgeiz. Menschen brauchen Anreize, um motiviert und leistungsfähig zu sein. Sie brauchen „Zuckerbrot und Peitsche“: Geld und Anerkennung bzw. Druck und Angst – Motivation von extrinsischen Quellen. Nur so arbeiten sie im Sinne des Unternehmens. Doch das Problem ist: Auf diese Weise gehen Menschen Verantwortung aus dem Weg. Sie suchen die Sicherheit und schützen ihre Position.

Leistung ist Arbeit pro Zeiteinheit?

Aber mal grundsätzlich zurück zum Kern von Performance Management: Leistung. Die Leistung eines Menschen war im Zeitalter des Taylorismus mit einer einfachen Formel zu erfassen: Arbeit pro Zeiteinheit. Bei komplizierten, repetitiven, mechanistischen Tätigkeiten (wie sie im Taylorismus mehrheitlich durchgeführt wurden, da dort Denken und Handeln strikt getrennt wurde und zudem Arbeitsprozesse unterteilt wurden) mag diese Formel auch noch gepasst haben. Daraus hat sich beispielsweise die heute weltweit dominierende Vertragsform für Mitarbeiter entwickelt - der Zeitarbeitsvertrag.

Dahinter steckt die Logik, dass beispielsweise ein Mitarbeiter in 40h/Woche in etwa doppelt soviel leisten kann, wie jemand auf derselben Position, der nur 20h/Woche anwesend ist und demnach auch eine in etwa doppelt so hohe Entlohnung bekommt. Schaut man sich die Tätigkeiten eines normalen Mitarbeiters innerhalb des Taylorismus an, so könnte das auch stimmen. War ich beispielsweise für das Scannen, Sortieren und Ablegen von Geschäftskommunikation zuständig, so kann ich in 40h sicherlich in etwa doppelt soviel abarbeiten, wie in 20h.

Und nach dieser Logik mag es auch folgerichtig erscheinen, die Leistung verbessern zu wollen, indem (extrinsische) Motivatoren implementiert werden, wenn die Arbeit pro Zeiteinheit erhöht wird. Völlig unabhängig von der Intelligenz moderner Performance Management Implementierung, bleibt im Kern die Haltung, die Dynamik und der Mechanismus stets derselbe.

Arbeit hat sich geändert

Das Hauptproblem dabei ist allerdings, dass sich Arbeit im Laufe der letzten Jahrzehnte stark geändert hat. So wird im Zuge der Automatisierung und der Digitalisierung immer mehr repetitive und mechanistische Arbeit von Computern erledigt. Zudem hat sich die Dynamik der Märkte stark geändert und Menschen übernehmen zunehmend komplexe Aufgaben, für die Kreativität und Ideen benötigt werden.

Allerdings verhalten sich komplexe Systeme komplett konträr zu komplizierten Systemen. In komplexen Systemen ist Leistung nicht mehr Arbeit x Zeit und die Gesamtleistung nicht mehr die Summe der Einzelleistungen. Es ist vielmehr so, dass Leistung das Produkt der Interaktionen einer Organisation ist. Jemand hat eine Idee für ein innovatives Produkt, diskutiert dies mit seinen Kollegen, wodurch die Idee emergent verändert wird, dann werden anderen Disziplinen wie Marketing, Sales und Customer Service hinzugezogen wodurch sich das Produkt abermals verändert und schließlich (hoffentlich) zum Erfolg wird. Aber wer hat nun welche Leistung zugesteuert? Wir brauchen uns dieser Denkaufgabe gar nicht stellen, denn: In komplexen Systemen kann Leistung nicht mehr gemessen werden - lediglich Erfolg.

Und dies ist weder eine Meinung noch eine Einschätzung - es ist schlicht ein kybernetisches Grundgesetz. Frei nach Gunter Dueck ist derjenige, der dieses Grundgesetz ignoriert, schlicht dumm. Daher muss Performance Management in komplexen Systemen zwangsläufig scheitern. Interessanterweise ist dies einer der am umfangreichsten erforschten Bereiche und gleichzeitig der, der am meisten ignoriert wird. Denn um in komplexen Systemen "zu leisten" braucht es sogenannte intrinsische Motivation und diese entsteht komplett anders als extrinsische Motivation.

Selbst der gute Albert Einstein hat schon erkannt...

Selbst Albert Einstein hat neben vielen anderen tollen Sätzen gesagt: "Kreativität ist Intelligenz, die Spaß hat" und hat damit die Notwendigkeit auf den Punkt gebracht! Bei mechanistischen, repetitiven und damit komplizierten Tätigkeiten war Kreativtät quasi nicht nur wenig hilfreich, sondern eher störend ("Wenn Menschen anfangen zu denken, haben wir mit der Standardisierung ein Problem" - Zitat irgendeines Managers).

Aus diesem Grund mögen oben beschriebene Systeme dort funktioniert haben. In einer immer komplexer werdenden Welt, in der Unternehmen jedoch komplexe Herausforderung lösen, wird Kreativität zum wohl wichtigsten Faktor. Glauben wir jedoch dem Zitat Einsteins (und wer glaubt schon nicht Einstein!), so kann Kreativität nur entstehen, wenn Menschen Spaß an dem haben, was sie tun. Allein dies zeigt, warum alle Systeme, die auf Druck und Kontrolle als auf intrinsische Motivation beruhen in einer komplexen Welt nicht nur überflüssig sondern auch verheerend sind.

Doch wie entsteht nun Spaß bzw. intrinsische Motivation?

The Puzzle of Motivation (Daniel Pink)

Daniel Pink hat ein wegweisendes Video dazu veröffentlicht: The Puzzle of Motivation

Verschiedene Studien belegen zudem, dass extrinsische Motivatoren, zum Beispiel zusätzliches Geld, sich eher kontraproduktiv auswirken. So hat eine Studie von Edward Deci, Psychologieprofessor in Rochester, nachgewiesen, dass zusätzliche Belohnungen die intrinsische Motivation senken. Bei jeder zusätzlichen Belohnung sinkt der Eigenantrieb um etwa 25%. Ist das kleine Extra vorhersehbar – wie zum Beispiel bei einer Bonuszahlung – sinkt die Motivation sogar um etwa 36%.

Was hat nun OKR mit Performance Management zu tun?

Ihr werdet es schon erahnt haben: Überhaupt nichts! Während Performance Management dringend ersatzlos und sofort gestrichen gehört (sofern das Arbeitsumfeld mehrheitlich komplex ist), weil es die Produktivität nicht nur nicht erhöht, sondern sogar senkt, ist eine Kombination mit OKR sogar besonders perfide und dumm. OKR ist ein System der komplexen Welt, fördert intrinsische Motivation und erhöht den Erfolg von Organisationen, indem es eben nicht die Leistung von Individuen, Teams oder Organisationen in den Vordergrund stellt, sondern das Produkt der Interaktionen.

Es führt zu einer Kulturänderung und somit zu einem Umfeld, das Kreativität nicht nur zulässt, sondern sogar fördert (durch Autonomy, Mastery und Purpose, vlg. Daniel Pink). Die Frage, wie sich OKR und Performance Management verbinden lässt, kann somit gar keine Antwort haben, da sie im Kern schon eine falsche Annahme hat (nämlich das Performance Management in einer komplexen Welt existieren kann).

Wer also wirklich mit seinem Unternehmen komplexe Herausforderungen lösen und in einer digitalen, agilen Welt handlungsfähig sein will, der braucht seine Mitarbeiter nicht als Ressourcen, sondern als kreative Menschen. Wer ein Umfeld kreieren will, dass dies zulässt, der sollte Performance Management auf keinen Fall in sein Unternehmen lassen.

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